Dramatischer Einbruch der Gewerbesteuerzahlen in den laufenden Haushaltsplanungen

Verwaltungsspitze und Gemeinderat werden in den kommenden Wochen gemeinsam die Herausforderungen der  dramatischen Entwicklung der Haushaltslage 2015 angehen. Gewerbesteuerrückzahlungen und deren Verzinsung in Höhe von insgesamt 62 Mio. € hatten Ende März die laufenden Haushaltsberatungen unerwartet unterbrochen und den bisherigen Haushaltsplan zur Makulatur werden lassen. In einer Gemeinderatssitzung am vergangenen Dienstag schilderte die Verwaltungsspitze die Ereignisse der vergangenen Wochen und beantwortete offene Fragen der Fraktionen und Gruppen des Gemeinderats.

Bürgerinformationsveranstaltung vom 21.05.2015

Bei der Bürgerinformationsveranstaltung am 21. Mai 2015 informierte die Stadtverwaltung zur Haushaltssituation und Neueinbringung des Haushalts 2015
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Am Freitag, den 27. März hatte die Stadtverwaltung Sindelfingen seitens eines ortsansässigen Unternehmens den entscheidenden Anruf erhalten. Die Hiobsbotschaft der drohenden Gewerbesteuerrückzahlungen in Höhe von 62 Mio. € bewahrheitete sich am darauffolgenden Dienstag. Der eingehende Gewerbesteuermessbescheid – welcher sich mit ausstehenden Gewerbesteuerrückzahlungen in Höhe von 38 Mio. € sowie deren Verzinsung in Höhe von 24 Mio. € auf ein Gesamtvolumen von 62 Mio. € belief – gibt den laufenden Haushaltsberatungen unerwartet eine dramatische Richtung.
 
Die zu leistenden Rückzahlungen beruhen auf Gerichtsurteilen aus den Jahren 2013 und 2014, die nun Ende März 2015 von den Finanzämtern umgesetzt wurden. Im Kern geht es darum, dass die Rückwirkung eines Steuergesetzes der damaligen Bundesregierung aus dem Jahr 2003 für verfassungswidrig erklärt wurde. Es geht um die Absetzbarkeit von Wertverlusten bei Kapitalanlagen, insbesondere um Teilwertabschreibungen an Fondsvermögen. Ein unmittelbarer Zusammenhang der Urteile mit der kommunalen Gewerbesteuer war nicht zu erkennen, da zum einen keine Sindelfinger Unternehmen in den Gerichtsverfahren beteiligt waren, sondern Unternehmen aus der Banken- und Versicherungsbranche, zum anderen seitens der Stadtverwaltung kein Einblick in die Kapitalanlageformen der ortsansässigen Unternehmen besteht.
 
Kenntnis des Vorgangs konnten demnach nur das Unternehmen selbst sowie das zuständige Finanzamt haben. Das Unternehmen unterliegt hierbei keinerlei Verpflichtung die Kommune über eventuelle Rückzahlungen zu informieren. Der Gesetzgeber fordert jedoch zum Schutz der Kommunen in entsprechenden Situationen in einem Anwendungserlass zu § 184 Abgabenordnung die Finanzämter dazu auf steuerbeteiligte Gemeinden bei anhängigen Einspruchsverfahren von größerer Bedeutung zu unterrichten. Sindelfingen hat jedoch hinsichtlich des Einspruchsverfahrens keine Kenntnis erlangt. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg räumt in einem Schreiben vom 15. April, welches die Stadtverwaltung am 21. April erhielt ein, hier der Informationspflicht der Finanzverwaltung nicht nachgekommen zu sein. Ziel der Stadtverwaltung  ist es zukünftig einen besseren Informationsfluss zwischen Finanzbehörden und Stadtverwaltung zu erlangen, sodass Sindelfingen auf einer verlässlichen Basis planen kann.

Konsequenzen für den Haushalt und die Verwaltung​

Die laufenden Haushaltsberatungen wurden unterbrochen und eine Haushaltssperre wurde erlassen, d.h. es werden zum derzeitigen Zeitpunkt nur Ausgaben getätigt die rechtsverbindlich oder gesetzlich verpflichtend sind, da sie z.B. durch ein Gesetz vorgegeben sind oder entsprechende Verträge bereits vor Bekanntwerden der aktuellen Situation unterzeichnet wurden.
 
Die Stadt Sindelfingen hat im Ergebnishaushalt ein Volumen von circa 180 Mio. €. Eine Gewerbesteuerrückzahlung in dieser Größenordnung, wie sie nun vorliegt, belastet den Haushalt erheblich. Die liquiden Mittel der Stadt Sindelfingen reichen aus, um die Zahlungen in 2015 aus den Rücklagen zu leisten. Dies ist auf die solide Haushaltspolitik der vergangenen Jahre zurückzuführen. Die Stadtverwaltung Sindelfingen konnte im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten – trotz des gleichzeitigen Abbaus des Sanierungsstaus –Rücklagen bilden, ohne dabei ihre laufenden Aufgaben zu vernachlässigen. Dennoch reißt die Rückzahlung eine große Lücke in zweistelliger Millionenhöhe  in die Stadtkasse. Ziel der Stadt ist es auch in den kommenden Jahren handlungsfähig zu bleiben. Würde der Haushalt ohne Einsparungen wie geplant realisiert, so wären die Haushalte in den kommenden Jahren aufgrund fehlender liquider Mittel nicht mehr genehmigungsfähig. Folge der Rückzahlungen werden daher einschneidende Sparmaßnahmen sein. Die Verwaltung ist dabei, alle noch verfügbaren und rechtlich nicht gebundenen Mittel auf den Prüfstand zu stellen. Nicht nur im laufenden Bereich, sondern auch bei den Investitionen und in der mittelfristigen Finanzplanung. Im Anschluss hieran werden dem Gemeinderat entsprechende Vorschläge unterbreitet, wo und in welchem Ausmaß Einschnitte vorgenommen werden.
           
Über die Haushaltsplanung mit derart schwankenden Gewerbesteuereinnahmen, wie sie in Sindelfingen leider üblich sind, wird im Gemeinderat und in der Verwaltung bereits seit Jahren diskutiert. Dennoch handelt es sich bei der aktuell zu leistenden Rückzahlung um einen Einmaleffekt, d.h. die Zukunftsperspektiven sehen – auch aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage – positiv aus. Demnach müssen vorerst keine wesentlichen Struktureingriffe vorgenommen werden.
 
Die Neuaufstellung des Haushalts 2015 bedeutet ein großes Maß an Mehrarbeit. Ein entsprechender Vorgang  bindet leider Kapazitäten in der Verwaltung, geplante Projekte können demnach in manchen Fällen nicht so schnell umgesetzt werden, wie dies vor dem Steuerrückgang angedacht war. Die Verwaltung bittet diesbezüglich um das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger.

Weitere Informationen

Terminschiene

12.05.2015
Gemeinderat – Beantwortung der offenen Fragen

19.05.2015
Erneute Einbringung des Haushalts 2015

21.05.2015
Bürgerinformationsveranstaltung in der Sindelfinger Stadthalle

23.06.2015
Gemeinderat - kurze Grundsatzaussprache zum neu eingebrachten Haushalt

07.07.2015
Verabschiedung Haushalt 2015

Ablauf der Steuerveranlagung

Der Ablauf der Steuerveranlagung, das heißt auch der Gewerbesteuer von Unternehmen erfolgt stets direkt mit dem Finanzamt. Unternehmen reichen ihre Gewerbesteuererklärung inklusive Steuerbilanz beim zuständigen Finanzamt ein, dieses prüft und erlässt den Gewerbesteuermessbescheid der inhaltlich maßgeblich für die zu zahlende Gewerbesteuer ist. Den Gewerbesteuermessbescheid sendet das Finanzamt dann an das steuerpflichtige Unternehmen und an die beteiligte Gemeinde.
 
Die Kommune, das heißt Sindelfingen hat diesen sogenannten Grundlagenbescheid zwingend umzusetzen. Hat ein Unternehmen mehrere Betriebsstätten so spricht man von der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags auf die beteiligten Gemeinden. Ist der Steuerpflichtige inhaltlich nicht einverstanden so kann er gegen den Messbescheid Einspruch erheben. Das Finanzamt entscheidet dann über den Einspruch. Wenn ein Grundsatzurteil erwartet wird ordnet das Finanzamt ein Ruhen des Verfahrens an. Gemäß eines Anwendungserlasses zu § 184 Abgabenordnung fordert der Gesetzgeber die Finanzämter dazu auf, steuerbeteiligte Gemeinden bei anhängigen Einspruchsverfahren von größerer Bedeutung zu unterrichten.