Langzeitprojekt - Stadtmuseum - Stadtarchiv

Vor 80 Jahren - Sindelfingen im Krieg

Mit dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Wie wirkte sich dieser Krieg im heimischen Lebensraum aus?
Welche Spuren hat er in Sindelfingen hinterlassen? War er von Anfang an zu spüren?
In der Reihe "Vor 80 Jahren - Sindelfingen im Krieg" stellen wir monatlich ein Objekt oder ein Thema in den Mittelpunkt, das 80 Jahre zuvor relevant war.
So entsteht eine Reihe mit 69 Beiträgen, die monatliche Blitzlichter auf die Zeit von September 1939 bis Mai 1945 wirft und das damalige Geschehen auf lokaler Ebene lebendig werden lässt.
Das Stadtmuseum präsentiert monatlich wechselnd eine Sondervitrine zum jeweiligen Thema.

Sollten Sie noch Erinnerungsstücke oder andere Objekte aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs aus Sindelfingen dem Museum zur Verfügung stellen wollen, dann dürfen Sie sich gerne unter 07031 94357 melden.

Projekt „Vor 80 Jahren – Sindelfingen im Krieg“ des Stadtmuseums und Stadtarchivs Sindelfingen

April 2025 – April 1945
Am 21. April endet für Sindelfingen der Krieg

Das Projekt "Vor 80 Jahren - Sindelfingen im Krieg" stellt monatlich wechselnd ein Thema oder ein Objekt aus der Zeit vor 80 Jahren im Stadtmuseum in den Mittelpunkt. In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv entsteht auf diese Weise ein Blick in die Vergangenheit, der u.a. die Alltagssituation der Menschen damals in den Blick nimmt. Die Texte sind auch auf der städtischen Homepage nachzulesen.

Die Monatsvitrine zum Thema ist seit Mittwoch, den 16. April im Stadtmuseum zu sehen sein.

Die Wirklichkeit wird ausgeblendet
 
Am 17. April 1945 hatten französische Truppen den Landkreis Böblingen erreicht, in den sie von Süden und Westen vorrückten. Die Verbände gehörten zur ersten französischen Armee, die zu einem Großteil aus algerischen, marokkanischen und tunesischen Soldaten aus den französischen Kolonialgebieten bestand. Der Widerstand der deutschen Einheiten – sowohl Wehrmacht als auch Volkssturm – war nur noch punktuell und von kurzer Dauer, führte aber in manchen Orten wie z.B. Weil im Schönbuch oder Deckenpfronn zu vielfachen Opfern unter der Zivilbevölkerung und schweren Zerstörungen.
 
Am Morgen des 21. April teilten sich die französischen Truppen, von Maichingen kommend, zum Weitermarsch Richtung Sindelfingen, Böblingen und Schönaich auf. Kurz bevor die ersten Truppen Sindelfingen erreichten, sprengten abziehende Wehrmachtseinheiten noch die Eisenbahnbrücke über die Calwer Straße (heutiger Calwer Bogen).  Damit war den französischen Truppen der direkte Weg zum Stadtzentrum über die Gartenstraße versperrt, so dass sie nun über das weitgehend verlassene Werksgelände des Daimler-Benz Werks von Südwesten und über die Zimmerplatzsiedlung und die Obere Vorstadt von Nordwesten in die Stadt eindrangen. In der Ziegelstraße hatten Wehrmachtsverbände wenige Tage zuvor noch eine Panzersperre errichtet. Da mit Kampfhandlungen und Zerstörungen gerechnet werden musste sobald die Besatzer auf Widerstand irgendwelcher Art treffen würden, versammelten sich vor dem Rathaus mehrere Hundert Frauen und verlangten, für eine sofortige Beseitigung der Panzersperre zu sorgen. Mehrere Augenzeugen berichten, dass Drogist Lämmle den französischen Truppen in der Oberen Vorstadt entgegengegangen sei und sie über die Lange Straße und die Planie zum Marktplatz geführt und so die Ziegelstraße umgangen hätte. Ein anderer Bericht spricht davon, dass die Panzersperre im letzten Moment noch beseitigt wurde. Auf jeden Fall sind der Stadt durch mutiges Handeln schwere Kampfhandlungen erspart geblieben.
 
Nachdem sich die örtlichen Vertreter der NSDAP abgesetzt hatten, verblieb lediglich Bürgermeister Pfitzer auf dem Rathaus, um den französischen Soldaten die Stadt zu übergeben. In der Stadtchronik beschreibt er den Vorgang nachträglich so:
„In unserer Stadt sind französische Truppen am 21. April 1945 einmarschiert und haben die Stadt mit etwa 600 Offizieren und Mannschaften besetzt. Die Einnahme und Besetzung der Stadt erfolgte ohne besondere Zwischenfälle, nur leichte Gefechtstätigkeit war mit der Besetzung verbunden. Am Tage der Besetzung wurde der Bürgermeister mehrere Stunden lang im Rathaus festgehalten und von 5 Marokkaner-Soldaten bewacht. Vor dem Rathaus stand der Bürgermeister den Bajonetten der französischen schwarzen Truppen gegenüber und wurde von diesen tätlich angegriffen und aller seiner Wertsachen beraubt. Am darauffolgenden Tag wurde Bürgermeister Karl Pfitzer nach kurzem Verhör durch den zuständigen französischen Offizier in seinem Amte belassen.“
 
Unerwähnt bleibt im Bericht Pfitzers, dass es auch in Sindelfingen zu Plünderungen und einer Vielzahl von Vergewaltigungen durch die einmarschierten Truppen gekommen ist. Berichtet wurde über Vergewaltigungen v.a. in der Goldberg-Siedlung. Ein niederländischer Zwangsarbeiter spricht darüber, dass die „marokkanischen Soldaten“ für 24 Stunden einen „Freibrief“ gehabt hätten, und dass nicht nur deutsche Frauen, sondern auch die sowjetischen Zwangsarbeiterinnen, die in der Suevia-Fabrik untergebracht waren, Opfer von sexueller Gewalt geworden sind. Ein anderer niederländischer Zwangsarbeiter berichtet, dass auch in Sindelfingen deutsche Frauen niederländische Zwangsarbeiter um Schutz gebeten haben und von diesen versteckt worden seien.
 
(Text: Horst Zecha)

Vernebelungsanlage bei Daimler-Benz (Mercedes-Benz-Archiv)
Vernebelungsanlage bei Daimler-Benz (Mercedes-Benz-Archiv)
 

Archiv

März 1945

Die Wirklichkeit wird ausgeblendet (38,3 KiB)

Februar 1945

Ein Dankeschön an die Solidarität (30,9 KiB)

Januar 1945

Eine russische Pferdekutsche (153,9 KiB)

Dezember 1944

Frauen in der Wehrmacht – Hilf dir selbst, so hilft dir Gott (46,3 KiB)

November 1944

Ausgabe der Parolen für die 6. Kriegserzeugungsschlacht (56,3 KiB)

Oktober 1944

Volk ans Gewehr, Volk ans Gewehr – Die Gründung des „Volkssturms“ (32,5 KiB)

September 1944

„Überall schossen die Flammen hoch…“ – die Luftangriffe vom September 1944 (227,1 KiB)

August 1944

Totaler Kriegseinsatz (35,9 KiB)

Juli 1944

Der Sparherd als Symbol des zunehmenden Mangels (138,3 KiB)

Juni 1944

Das besondere Hochzeitskleid (34,7 KiB)

Mai 1944

Auslagerungen als letzte Hoffnung – Wie Daimler-Benz versuchte, seine Produkte zu retten (41,9 KiB)

April 1944

Stadt und Kirche gegen Ende des Krieges – Der Pfarrbericht 1944 (40,7 KiB)

März 1944

Die Verpflichtung der Jugend – Eine Angelegenheit des ganzen Volkes (56,8 KiB)

Februar 1944

Die langen Schatten des Krieges: Wie die Luftschutzstollen des zweiten Weltkriegs Sindelfingen noch Jahrzehnte beschäftigen (144,2 KiB)

Januar 1944

Feind hört mit (34,2 KiB)

Dezember 1943

Weihnachtsgeschenk des unbekannten Vaters (48,9 KiB)

November 1943

Kriegsberufswettkampf 1943/44 (63,7 KiB)

Oktober 1943

Zwangsarbeiter sind die ersten Sindelfinger Luftkriegsopfer (69,4 KiB)

September 1943

„Kraft durch Freude“ im Städtischen Saalbau (35,6 KiB)

August 1943

Schuhsolen aus Holz und Stroh – Auswirkungen der Kriegswirtschaft (51,9 KiB)

Juli 1943

Kriegswirklichkeit und Durchhalteparolen (98,4 KiB)

Juni 1943

Der Heldentod und die Wirklichkeit (81,3 KiB)

Mai 1943

Frau und Mutter – Lebensquell des Volkes (77,4 KiB)

April 1943

Der Krieg rückt näher an die Heimat (41,3 KiB)

März 1943

Die Deportation der Sindelfinger Sinti-Familie Reinhardt (10,8 KiB)

Februar 1943

Stalingrad – Wendepunkt des Krieges (166 KiB)

Januar 1943

Wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tod Verurteilt (112,1 KiB)

Dezember 1942

Weihnachtliches „Wettrüsten“ (49,3 KiB)

November 1942

Erste Bombeneinschläge – Der Krieg kommt näher (83,6 KiB)

Oktober 1942

Und wir sind doch noch so jung – Russlandfeldzug (56,7 KiB)

September 1942

Kochtipps im Dienste der NS-Propaganda (45,1 KiB)

August 1942

Jeder Volksgenosse vor dem Röntgenapparat (45,2 KiB)

Juli 1942

Der Umgang mit Zwangsarbeitern als Spiegel der NS-Rassenideologie (45,1 KiB)

Juni 1942

Flotte Malerei für ein zukünftiges Heimatmuseum (69,5 KiB)

Mai 1942

Erweiterung des Ehrenfriedhofs (45,9 KiB)

April 1942

Sindelfinger Opfer des NS-Terrors (79,3 KiB)

März 1942

Ewig bleibt der Toten Kämpferruhm (136,9 KiB)

Februar 1942

Schließung der Schulen (51,1 KiB)

Januar 1942

Glocken für den „Endsieg“ (44,3 KiB)

Dezember 1941

Russische Birkenrinde zu Weihnachten (344,1 KiB)

November 1941

Licht lockt Bomben! (424,8 KiB)

Oktober 1941

Alle Mann wurden von Mutter …bekocht… (218,6 KiB)

September 1941

Eine neue Zeitung für Sindelfingen (3,636 MiB)

August 1941

Sterben an der Ostfront und Kriegspropaganda (304,6 KiB)

Juli 1941

Bereinigung des Viehverteilerstandes (541,9 KiB)

Juni 1941

Verborgene Schönheit (214,3 KiB)

Mai 1941

Muttertag und Mutterkreuz (569,9 KiB)

April 1941

Ordnung auf Straßen und Plätzen (913,3 KiB)

März 1941

Eine Schießanlage im Wald und ihre Geschichte (77,7 KiB)

Februar 1941

Der gewaltigste Sieg der deutschen Geschichte… (605,5 KiB)

Januar 1941

„Unentschuldigtes Fernbleiben wird bestraft“ - Kontrolle und Disziplinierung der Bevölkerung (1,528 MiB)

Dezember 1940

Weihnachten zwischen Krieg und versuchter Normalität (390,7 KiB)

November 1940

Kommunalpolitik im Schatten des Krieges (279,9 KiB)

Oktober 1940

Propaganda und Antisemitismus (2,511 MiB)

September 1940

„Kleiderwünsche und Punktfragen im Herbst“ – Reichskleiderkarten (316,2 KiB)

August 1940

Der Pfarrbericht von 1940, zwischen nationaler Begeisterung und Existenzangst (233,4 KiB)

Juli 1940

Heldentod und Kriegsende? (489,3 KiB)

Juni 1940

„Ein großer Teil der netten Häuser sind bezogen worden…“ – Wohnungsbau in Kriegszeiten (365,7 KiB)

Mai 1940

Ein HJ-Heim für Sindelfingen (759 KiB)

April 1940

Der Film unter dem Hakenkreuz (419,4 KiB)

März 1940

Propagandamaschinerie auf Hochtouren (88,3 KiB)

Februar 1940

Die Kraft der Musik (88,7 KiB)

Januar 1940

Ehemann im Lager verstorben – näheres durch Polizei (91 KiB)

Dezember 1939

Die erste Kriegsweihnacht (115,4 KiB)

November 1939

Allgegenwärtig - der Einfluss der NSDAP (118,8 KiB)

Oktober 1939

Eintopfsonntag und Winterhilfswerk als Propagandainstrumente (118,2 KiB)

September 1939

Der Krieg – vom ersten Tag an organisiert (115,9 KiB)